Vor knapp dreieinhalb Jahren geschah es kurz, dass die Welt auf den Libanon blickte. Eine Explosionskatastrophe im Hafen von Beirut stürzte das Land im August 2020 in instabile Verhältnisse. Ansonsten blieb die Aufmerksamkeit für die kleine Republik am Mittelmeer eher gering, die in einem 15-jährigen Bürgerkrieg ab 1975 zerrüttet wurde und deren Souveränität durch die islamistisch-schiitische Miliz Hisbollah bedroht wird.
Esist der Libanon alsSchauplatz des Sterbens und des Elends, dem sich der Choreograf und Regisseur Ali Chahrour in seinen Bühnenstücken widmet. So schuf der 1989 in Beirut geborene Künstler etwa zwischen 2016 und 2018 eine Trilogie über traditionelle arabische Todesrituale. Seine jüngste, im Jahr 2019 begonnene Trilogie dreht sich dagegen um die Liebe. Der zweite Teil „Told by my Mother“ wird im März im Ringlockschuppenaufgeführt. Chahrour lässt in die Tanzperformance seine eigene Familiengeschichte mit einfließen, die u.a. von Tragödien undGewaltgeprägt ist.Im Zentrum der Handlung steht das Band zwischen Müttern und Söhnen. Da ist zum Beispiel Fatmeh, die nicht die Hoffnung aufgibt, noch ihren vermissten Sohn Hassan zu finden. Oder da ist Leila, die ihr Kind Abbas davon abringen will, als Märtyrer zu sterben.
In Interviews verwies Chahrour häufig auf die katastrophalen Zustände, die in seinem Heimatland herrschen, wie etwa der Mangel an Strom und Lebensmitteln. In seinen Bühnenarbeiten geht es ihm darum,das Leid im Libanon sichtbar zu machen. Oft setzt er dabei auf kleine Gesten, einzelne Wörter und Songs.In „Told by my Mother“ sind es Chahrour selbst, die Schauspielerin Hala Omra und die Musiker von Two or The Dragon, die mit traditionellen arabischen sowie zeitgenössischen Klängen eine Geschichte über Liebe und Gewalt begleiten – und Menschen, für die alles verloren zu sein scheint: die Stadt, die Seelen, die Menschlichkeit. Aber trotzdem ist – wie üblich bei Chahrour – auch ein Funken Hoffnung zu erwarten.
Told by my Mother | 16.3. 20 Uhr, 17.3. 16 Uhr | Ringlokschuppen Ruhr, Mülheim a.d. Ruhr | 0208 99 31 60
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Das Unsichtbare sichtbar machen
Choreographin Yoshie Shibahara ahnt das Ende nahen – Tanz in NRW 04/24
Mackie im Rap-Gewand
„MC Messer“ am Theater Oberhausen – Tanz an der Ruhr 04/24
Einfach mal anders
Das stARTfestival der Bayer AG in Leverkusen geht eigene Wege – Festival 04/24
Tennismatch der Kühe
„Mata Dora“ in Köln und Bonn – Tanz in NRW 03/24
Kommt die Zeit der Uniformen?
Reut Shemesh zeigt politisch relevante Choreographien – Tanz in NRW 02/24
Hochzeiten und Hüte
„Hello, Dolly“ am MiR in Gelsenkirchen – Tanz an der Ruhr 01/24
Am Ende ist es Kunst
Mijin Kim bereichert Kölns Tanzszene – Tanz in NRW 01/24
Trainingsraum für Begegnungen
„Nah“ im Maschinenraum Essen – Tanz an der Ruhr 11/23
Eine Sprache für Objekte
Bundesweites Festival Zeit für Zirkus 2023 – Tanz in NRW 11/23
Veränderung und Entwicklung
„Deep Talk“ im Mülheimer Ringlokschuppen – Prolog 11/23
Schwofende Schwellenfigur
„Don Q“ am Musiktheater im Revier – Tanz an der Ruhr 10/23
Die Sprache der Bewegung
Die Comedia lockt das junge Publikum zum Tanz – Tanz in NRW 10/23
Von der Straße ins Theater
„Multiversum“ am Theater Oberhausen – Prolog 04/24
Tödlicher Sturm im Wurmloch
„Adas Raum“ am Theater Dortmund – Prolog 04/24
Die ultimative Rache vor weißer Schleife
„Die Fledermaus“ mit Schauspielstudierenden an den Kammerspielen Bochum – Auftritt 04/24
„Ich mache keine Witze über die Ampel“
Kabarettist Jürgen Becker über sein Programm „Deine Disco – Geschichte in Scheiben“ – Interview 04/24
„Zu uns gehört das Lernen von den Alten“
Intendant Olaf Kröck über die Ruhrfestspiele 2024 – Premiere 04/24
Verloren im Nebel
Das Duo Paula Rot im Foyer des Theaters Duisburg – Bühne 03/24
Glücklich bis ans Ende?
„Star-Crossed Lovers“ in Essen – Prolog 03/24
Ein Baum im Herzen
„Eschenliebe“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 03/24
Über die Familie
45. Duisburger Akzente – Festival 03/24
Sternfahrt zum Shoppen
„Einkaufsstadt, 4300“ von Trio ACE in Essen – Prolog 03/24
„Im Gefängnis sind alle gleich“
Regisseurin Katharina Birch über „Die Fledermaus“ an den Bochumer Kammerspielen – Premiere 03/24
Bakterien im Spa
„Ein Volksfeind“ am Theater Dortmund – Prolog 02/24